Bundesstrafgericht, © Keystone-SDA
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Winterthurer IS-Anhänger bleibt in U-Haft

Ein junger IS-Anhänger kommt nach über einem Jahr Untersuchungshaft nicht frei. Das Bundesstrafgericht hat eine Beschwerde des 21-jährigen Mannes abgewiesen, der sich im Kreis der Winterthurer Salafisten-Szene bewegte.

22.08.2023

Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hat in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss bestätigt, dass beim Beschuldigten Fluchtgefahr bestehe. Entgegen der Bundesanwaltschaft und dem zuständigen Zwangsmassnahmengericht verneint es jedoch Verdunkelungsgefahr.

Der schweizerisch-italienische Doppelbürger versuchte im Dezember 2021 über die Türkei nach Syrien auszureisen, um sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschliessen. Die Türkei verweigerte ihm die Einreise, sodass er bereits einen Tag später wieder in der Schweiz war. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet und der junge Mann kam frei.

Die Behörden überwachten jedoch seine Wohnung akustisch. Für den Eingangsbereich wurde eine Videokamera angebracht. Kontrolliert wurden auch Post, Telefonnummern und der Fernmeldeverkehr.

Im Juni vergangenen Jahres wurde der Beschwerdeführer schliesslich im Rahmen einer von Deutschland und der Schweiz gemeinsam durchgeführten Aktion verhaftet. In der Schweiz wurden gleichzeitig ein 26-Jähriger und ein Minderjähriger festgenommen.

Reigen von Kaida-Anführern

In Deutschland verhaftete die Polizei einen über 60-Jährigen, mit dem der Beschwerdeführer Propagandamaterial übersetzt und über verschiedene Kanäle verbreitet haben soll. Es handelt sich dabei um einen deutsch-pakistanischen Doppelbürger, der einst Kontakte zu führenden Köpfen der Al-Kaida in Europa pflegte. In Deutschland wurde bereits Anklage gegen ihn erhoben.

Der 21-Jährige wird beschuldigt, dass er sich 2021 dem IS habe anschliessen wollen. Nach diesem misslungenen Versuch soll er neue Pläne für eine zweite Ausreise geschmiedet haben. Zudem wird ihm die Herstellung und Verbreitung von Propaganda zur Last gelegt. Weiter soll er Spenden für den IS gesammelt und Gelder überwiesen haben.

Der Beschwerdeführer verkehrte auch mit einem Winterthurer Syrien-Rückkehrer. Dieser war 2014 als Minderjähriger mit seiner jüngeren Schwester nach Syrien gereist.

Er wurde nach seiner Rückkehr vom Jugendgericht Winterthur wegen des Verstosses gegen das Al-Kaida/IS-Gesetz verurteilt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Ende August steht er erneut wegen verschiedener, neuer Delikte im Zusammenhang mit dem IS vor Gericht.

Zweites einschlägiges Strafverfahren

Auch beim Beschwerdeführer handelt es sich nicht um die ersten Widerhandlungen. Im Februar 2021 wurde er von der Jugendanwaltschaft wegen Verstosses gegen das IS-Gesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Das Bundesstrafgericht hält fest, dass die Ermittlungen den jungen Mann schwer belasten würden. Die Hinweise zur Propagandatätigkeit seien so dicht, dass das Haftgericht von einer Verurteilung ausgehe. Die Untersuchungshaft sei verhältnismässig und gerechtfertigt, solange Fluchtgefahr bestehe und die Untersuchung zügig voranschreite.

Das Bundesstrafgericht warnt, dass diese Situation nicht solange aufrecht erhalten werden dürfe, bis die Gefahr einer Überhaft bestehe - auf dass der Beschwerdeführer doch noch aussage. Bisher hat dieser von seinem Aussageverweigerungs-Recht Gebrauch gemacht. Überhaft entsteht, wenn die Untersuchungshaft länger dauert als eine mögliche Freiheitsstrafe.

Das Gericht kritisiert zudem, dass die Bundesanwaltschaft die rechtlichen Vorwürfe noch nicht auf ein «sachliches Fundament» gestellt habe. So habe das Gericht selbst den Sachverhalt zusammenstellen müssen. Eine Anklage müsse um so dringlicher ausgearbeitet werden, als dass die Untersuchung gegen den Beschuldigten in den vergangenen Monaten kaum mehr Fortschritte erzielt habe.

Zu beachten ist laut der Beschwerdekammer des Weiteren, dass es sich beim Beschuldigten um einen jungen, behandlungsbedürftigen Erwachsenen mit einer psychiatrischen Diagnose handle, der sei über einem Jahr isoliert in Untersuchungshaft sitze. Bei einer Entlassung müsse darauf geachtet werden, dass er nicht in völlig unstrukturiertes Umfeld gelange, das ihn überfordern würde.

Beschluss BH.2023.13 vom 27.7.2023

(sda)

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